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Essay – Übergewicht

Wir leben im 21.Jahrhundert, eine Zeit, die vor Innovations- und Erfindungsfreudigkeit nur so strotzt. Doch in unserer Zeit, in der täglich neue Technologien auf den Markt kommen, die das Leben vereinfachen, gilt immer noch die oberste Regel der Natur – nämlich, der Stärkere bzw. der besser Angepasste überlebt. Diese Regel wird in unserer heutigen Gesellschaft knallhart durch Diskriminierung umgesetzt. Wer sich von dem in den Medien vorgeschriebenen Idealbild des Menschen zu weit entfernt, wird von der Gesellschaft kompromisslos ausgestoßen. Die Rede ist hier nicht von irgendwelchen Krankheiten wie Lepra oder der Pest, sondern schlicht und einfach vom Übergewicht. In jeder Zeitung türmen sich Schlagzeilen wie „Deutschlands Kinder sind zu dick!“ oder „Jeder Zweite hat Übergewicht“.

Ein Thema, welches in Deutschland aufgrund seiner Medienpräsenz einen vergleichbaren Stellenwert wie tödliche Krankheiten, z.B. BSE oder Vogelgrippe hat. Tatsächlich ist es so, dass das Gewicht in unserer heutigen Leistungsgesellschaft ein Indikator für die Disziplin eines Menschen ist. Hierfür gibt es Richtlinien, an die sich jeder zu halten hat. Das wohl berühmteste Gesetz, welches die körperliche Fitness vorschreibt, ist der BMI, ein Wert, der anhand der Größe und des Gewichtes eines Menschen ermittelt wird. Kommt ein Mensch über den vorgeschriebenen Wert von 25, so wird er schon gleich ein Opfer von fiesen Hänseleien. Sollten sich die Werte eines Dicken jedoch schon zwischen 30 und 40 bewegen, so wird er von der Gesellschaft verstoßen wie ein Ex-Sträfling, mit dem keiner was zu tun haben will. Auf die Psyche des Dicken kann hierbei selbstverständlich keine Rücksicht genommen werden, denn er ist anders, und wer anders ist, muss ausselektiert werden. Um das Problem des Übergewichtes in Maßen zu halten, hat sich in unserer Gesellschaft so eine Art Heilungstherapie für Dicke entwickelt. Diese Therapie fängt schon in der 1.Klasse der Grundschule an. Die Dicken werden von ihren Mitschülern gehänselt, ausgelacht und ausgestoßen, dies führt – falls mit voller Brutalität und Härte durchgesetzt – unter Umständen auch zum Erfolg. Wenn die Therapie anschlägt, traut sich der Dicke nicht mehr zum Bäcker zu gehen um sich sein „Kraftfutter“ zu holen. Dies führt dann zu einem rapiden Fettverlust und zur Normalisierung seines Gewichtes. Als Nebenwirkung treten bei dem Patienten oft psychische Schäden auf, die aber im Vergleich zur Krankheit zu vernachlässigen sind. Das Risiko bei der Behandlung ist lediglich, dass die Nebenwirkungen, ob nun Erfolg oder Misserfolg, auf jeden Fall eintreten. Aber wen stört es schon was ein Dicker denkt. Schlägt die erste Stufe der Therapie nicht an und der Dicke ist nun dank seines Frustes noch mal doppelt so breit wie davor, geht die Therapie in die nächste Stufe. Stufe zwei nennt sich „Ein dicker auf Partnersuche“. Hierbei tritt das Problem auf, dass sich der Dicke durch sein geschwächtes Selbstvertrauen, welches aus Stufe 1 resultiert, nicht in der Lage sieht in seiner momentanen Gestalt einen geeigneten Partner zu finden. Nun bleibt ihm die Wahl: Entweder der Dicke wird dünn oder er pflanzt sich wenigstens nicht fort und vererbt seine Krankheit. Stufe 3 der Behandlung sind die Rehabilitierungsmaßnahmen für Dicke, die sie wieder gesellschaftsfähig machen sollen. Diese Rehabilitierungsmaßnahmen spiegeln sich in den erhöhten Krankenkassenbeiträgen, den Gehältern usw. ab. Wenn der Dicke nun nicht kapiert, dass man ihm sein ganzes Leben lang nur helfen wollte mit seinem Übergewicht klarzukommen, und dann auch noch undankbar ist, dann muss er eben weiterhin mit seinen Pfunden leben. Hat ein Dicker diese drei Behandlungsstufen durchlaufen und hat seine Pfunde noch immer, so gehört es nicht mehr zur Aufgabe der Gesellschaft dies zu ändern. Man muss den Dicken ja auch etwas Gutes zugestehen: Immerhin unterstützen sie aktiv unsere Wirtschaft. Stärker noch – sie sind sogar der Garant für bestimmte Industriezweige. Wie viele Arbeitsplätze würden wohl allein in Deutschland verloren gehen, wenn es die dicken nicht gäbe. Unternehmen wie „Weight Watchers“, im Volksmund liebevoll „Whale Watchers“ genannt, würden Bankrott gehen und alle Mitarbeiter wären von heute auf morgen arbeitslos. Dabei haben das Unternehmen und seine Mitarbeiter doch so wichtige Aufgaben, z.B. das Idealbild der Figur über die Medien zu verbreiten und den Leuten einzureden, sie seien zu dick. Die Art, wie diese Firma operiert, ist noch viel komplexer, denn sie müssen den Leuten ja auf der einen Seite „Hilfe“ anbieten, auf der anderen aber dafür sorgen, dass die erbrachte „Hilfe“ garantiert nicht anschlägt. Schließlich liegt es aus wirtschaftlichen Gründen absolut nicht in ihrem Interesse, dass die Dicken abnehmen. Somit komme ich zu dem Fazit, dass die Gesellschaft die Dicken zwar auf der einen Seite verstößt, ohne sie allerdings auch nicht existieren könnte.

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