In einem anderen TEDx-Talk, „The Sexy Lie“, warnt die Wissenschaftlerin Caroline Heldman, dass es einem nicht etwa Macht gibt, ein Sexobjekt zu sein. In unserer westlichen Kultur, in der wir im Durchschnitt fünftausend Anzeigen täglich sehen, lernen Mädchen, ihren Körper als Objekt der Begierde zu sehen, als Projekt, das bearbeitet werden muss: mit Sport, Diäten, Schönheitsprodukten und Mode. Diese Verdinglichung des Körpers steigert das Risiko, an Depressionen oder Essstörungen oder beidem zu erkranken. Im geringsten Fall schluckt sie kognitive Kapazitäten, die für Schule und Wohlempfinden genutzt werden sollten. Tatsächlich haben wir in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren stark steigende Raten an selbstverletzendem Verhalten und Essstörungen zu verzeichnen, und noch nie waren die Betroffenen so jung. Schon acht Jahre alte Kinder werden heute in psychosomatische Kliniken gebracht. 2006 fühlten sich in einer WHO-Studie noch 70 Prozent der 16 Jahre alten Mädchen „schön“ – 2012 waren es nur noch 47 Prozent. In der Zwischenzeit hat nicht nur die „Topmodel“-Show in Deutschland Fuß gefasst, auch die Zahl der Werbeflächen in deutschen Städten ist exorbitant gestiegen. Allein in Hamburg kamen seit 2009 zweitausend Leuchttableaus dazu. Auf diesen Tafeln ist das Bild der Frau weiterhin eines, das wenig Raum einnimmt.
„Übergröße“ kann alles sein von Größe 38 bis 50
In dem Moment, in dem Frauen an Macht gewannen, wurde ihr äußeres Bild schmaler. Als die Pille 1960 auf den Markt kam, war das Magermodel Twiggy erstmals auf dem Cover der englischen „Vogue“. Es schien zu sagen: „Auch wenn ich jetzt arbeiten gehen, Verhütung selber regeln und mitentscheiden kann, bin ich doch zart und harmlos und muss beschützt werden!“ Das Bild verkaufte sich gut – an Frauen, die auch von ihren Müttern und Großmüttern, von Mythen und Sagen kein anderes Bild kannten als das eine: Du musst begehrt werden. Selber zu begehren, in weiter Kleidung und lässig von Werbeflächen hinabzuschauen und auszudrücken: „Hauptsache, ich kann mein Leben selbst gestalten und finde jemanden, mit dem ich Interessen teile“, dafür fehlt uns nach wie vor das populärkulturelle Vorbild – auch wenn sich inzwischen Initiativen wie der Verein „Pinkstinks“ gegen Werbung und Spielwaren wenden, die Mädchen verniedlichen, einengen, sexualisieren.
„Es ist nicht anzunehmen, dass Konzerne ihren Umsatz durch Übergrößen-Models steigern können“, ist das Fazit einer Studie der Universität Köln. Thomas Mussweiler, der dafür zuständig war, gibt leider keine Aussage dazu, was für Models, in welchen Posen, mit welchem Ausdruck, den wenigen Probandinnen der Studie vorgesetzt wurden. „Übergröße“ kann alles sein von Größe 38 bis 50. Trotzdem beeinflusste das breit zitierte Ergebnis den Markt: Die in der „Brigitte ohne Models“ gezeigten Frauen wurden dünner, die Dove-Werbung mit „ganz normalen Frauen“ wurde abgesetzt.
2013-04-29